Bericht zum 100. Jubiläum 1863

Vor 150 Jahren:

„Der König und die Kaiserin

des langen Haders müde,

Erweichen ihren harten Sinn

Und machten endlich Friede;

Und jedes Heer mit Sing und Sang,

Mit Paukenschlag und Kling und Klang,

Geschmückt mit grünen Reisern,

Zog heim zu seinen Häusern.“

Es mögen wol zwölf Jahre vergangen sein, seit ich im officiellen Auftrage zum ersten mal das ehemaliger sächsische Jagdschloß Hubertusburg besuchte. Da führte man mich unter anderem auch in einen Saal und erzählte mir, daß dieser der so genannte Friedenssaal heiße, in welchem im Jahr 1763 dem Siebenjährigen Krieg ein Ende gemacht worden sei. Es war ein hoher, heller Saal, die Wände mit Arabesken frescoartig geziert, der Boden etwa eine halbe Elle hoch – mit Korn bedeckt. Der Saal, in welchem vor fast hundert Jahren das Geschick Deutschlands, ganz Europas entschieden worden war, diente als Kornkammer.

Jetzt, am 15. Februar 1863, sind es 100 Jahre, daß jener Friede geschlossen wurde. Deutsche hatten gegen Deutsche gekämpft mit einer Ausdauer, die eines anderen Zieles würdig gewesen wäre. Friedrich der Große berechnet selbst, daß dieser Krieg ihm und seinen Freunden, den Engländern, etwa 240.000 Mann, seinen Feinden aber weit über eine halbe Million Menschen gekostet habe.

Armes deutsches Vaterland! Wie oft haben sich seit dem wieder deine Söhne im blutigen Kampfe gegenüber gestanden! - Wenn endlich wird die hehre Stunde schlagen, da ein ewiger Gottesfrieden deine Kinder verbindet. Wenn endlich wird das alte Lied vom einigen, freien Deutschland zur Wahrheit werden!

Vor 100 Jahren also ward der Siebenjährige Krieg beendet. Es sei uns erlaubt, einen Blick auf jene Zeit zu werfen.
Friedrich hatte am 15. Aug. 1760 den glänzenden Sieg bei Liegnitz über den General Laudon gewonnen und damit die Vereinigung der Russen und Oesterreicher gehindert. Da traf ihn eine Kunde, schlimmer als die einer verlorenen Schlacht – die Russen, Oesterreicher und Sachsen belagern Berlin.

Und er konnte seine Hauptstadt nicht retten. Sie capitulirte und ergab sich an den russischen General Grafen Tottleben.
Das Schicksal der Stadt war minder schrecklich als man erwartet hatte. Graf Tottleben war ein geborener Deutscher und hatte längere Zeit in Berlin gelebt. Angenehme Erinnerungen tauchten in ihm auf und veranlassten ihn, mild zu verfahren. Nur die berliner Zeitungsschreiber sollten hart bestraft werden. Sie hatten in ihren Berichten die Greuel der Russen beim rechten Namen genannt, hatten dabei auch Tottleben nicht geschont und sollten nun die Rache der Sieger fühlen. Ihr Urtheil lautete auf Spießruthenlaufen. Tag und Stunde war bereits festgesetzt und die Unglücklichen erwarteten auf der Hauptwache ihr grässliches Los. Da gelang es dem Kaufmann Gotzlowsky, einem Manne, dessen aufopferndem Edelsinn Berlin in jenen Tagen seine Rettung verdankt, den General Tottleben dahin zu bewegen, daß jene Strafe unterblieb. Man führte jene Männer bis vor die zum Durchlaufen bestimmt Soldatengasse und entließ sie hier mit einem scharfen Verweise.

Schlimmer aber wurde die Lage Berlins, als der General Lascy mit seinen Oesterreichern in der Stadt anlangte. Es war bei Festsetzung der Uebergabe ausbedungen worden, daß kein Soldat in der Stadt einquartiert werden solle. Lascy aber nahm mit einem Theile seines Corps gegen den Willen der Russen Quartier in der Stadt, und nun wurde Berlin plötzlich der Tummelplatz von Kosaken, Kroaten und Husaren, die überall, wo sie hinkamen, raubten und plünderten. Mehre Hundert Häuser wurden erbrochen, die Menschen gemishandelt und ausgeraubt. Selbst Hospitäler und Kirchen wurden nicht geschont. Auch die Umgegend von Berlin hatte viel zu leiden. Da war es, wo sich auch die Sachsen vergaßen. Sie hatten ihr Quartier in Charlottenburg, eine Meile von Berlin. Uneingedenk, daß der König von Preußen bald wieder nach Sachsen kommen und dort Revanche nehmen könnte, fielen sie wüthend in das prächtige Lustschloß ein und zerstörten alles, was ihr Auge sah. Die Offiziere konnten ihre Untergebenen nicht bändigen. Es war die Rache für die Gefangennahme bei Pirna. Archenholtz, dem wir hier folgen, erzählt in seiner „Geschichte des Siebenjährigen Krieges“ diese Plünderung sehr ausführlich: die kostbaren Mobilien wurden zertrümmert, die Spiegel und Porzellangefäße in kleine Stücke zerschlagen, die Tapeten in Fetzen gerissen, die Fußböden, Seitenwände und Thüren mit Beilen zerhauen. Viele Sachen von Werth entgingen der Zerstörung, aber nicht dem Raube; denn die Offiziere brachten sie für sich als beute in Sicherheit; auch die königliche Kapelle im Schlosse wurde ausgeplündert und die Orgel zerbrochen. Ebenso wurden griechische Antiquitäten, die Friedrich so sehr liebte und mit großen Kosten gekauft hatte, gänzlich zerstört; ein Verlust, den er am meisten beklagte. Von allen königlichen Lustschlössern bleib Sanssouci, sowie das zu Potsdam verschont. Hier commandirte der österreichische General Esterhazy, der sich durch persönlichen Edelmuth auszeichnete und gute Manneszucht unter seinen Truppen hielt.

Schon träumten die Russen und Oesterreicher von Winterquartieren in Brandenburg, als der König aus Schlesien herankam. Schon sein Kommen reichte hin, die Feinde zum Rückzuge zu bringen. Die Oesterreicher und Russen verließen eiligst Berlin.
Eben hatte der König mit seiner Armee die sächsische Grenze erreicht, als er genauere Nachrichten über die Plünderung seiner Hauptstadt erhielt. Am schmerzlichten war ihm die Zerstörung Charlottenburgs. Er befahl, dafür das sächsische Jagdschloss Hubertusburg zu plündern und das Freibataillon des Quintus Icilius sollte diesen Befehl ausführen. Archenholtz, der die Plünderung Charlottenburgs so ausführlich schilderte, ist sehr kurz in der Erzählung der hubertusburger Affaire. Er sagt nur: „In wenig Stunden war das Geschäft geendigt und zwar mit solchem Eifer, dass blos die nackten Mauern übrigblieben.“ Er hätte noch kürzer sein können, er brauchte nur zu sagen: es wiederholten sich hier fast die gleichen Scenen wie bei der Plünderung Charlottenburgs - die Preußen gaben den Sachsen nichts nach. Wol aber folgte hier noch ein jüdisches Handelsgeschäftchen. Quintus Icilius – eigentlich Guischardt aus Magdeburg; Friedrich der Große hatte seinem Günstling jenen Namen gegeben – verhandelte das geplünderte Schloss zur weiteren Ausbeute für 72,000 Thlr. an die reichen berliner Juden Ephraim und Itzig, die damals ihr betrügerisches Unwesen auch in Sachsen trieben. Diese Juden hatten die Münze gepachtet und wussten das so gut zu nützen, daß sie den Wechselcurs der größten Hauptstädte nach Belieben commandirten und die reichsten Juden Europas wurden. Natürlich suchten sie den Kaufpreis wenigstens doppelt wieder zu gewinnen. Der Thurm wurde seiner großen Glocken, seiner kunstvollen Uhr, seines kupfernen Daches beraubt, die Statuen abgetragen und aus dem gewonnenen Metall – der Thurm allein lieferte 90 Centner – ließ Ephraim in der Pleißenburg zu Leipzig jenes schlechte Geld prägen, das nach ihm mit dem Namen – Ephraimiten – belegt wurde. Die stark vergoldeten Schlösser und Beschläge der Thüren und Fenster und sonstige Vergoldungen wurden zu weiterer Ausnutzung abgekratzt. Das gab wieder einen Reingewinn von 12,000 Thalern.

Schon hatten die unersättlichen Juden – wie Bergsträßer in seiner Geschichte Hubertusburgs erzählt – ihre Hände auch an die von den Soldaten verschonte Kapelle gelegt, schon in der königlichen Loge angefangen, Schlösser, Draperien und Goldleisten abzureißen, schon schauten sie mit gierigem und freudigem Blick herab auf die reiche Beute im Innern des Tempels, als Norbert Schubert, der Hofkaplan, in der Seele ergrimmt ob solchen jüdischen Frevels, das Heiligthum zu retten nach dem benachbarten Dahlen ins Winterquartier des Königs von Preußen eilt. Friedrich II. hat anfangs kein Ohr für seine Bitten, allein Schubert lässt nicht nach, er bittet inständigst, er bittet bußfällig und der Zorn des großen Fürsten wird erweicht. Friedrich gebietet der Plünderungssucht der Juden Einhalt und die Kirche ist gerettet.

Die Plünderung hatte drei Monate gewährt – Hubertusburg, das durch seinen Glanz ganz Europa von sich reden gemacht hatte, stand wüste und leer und nie wieder hat es sich zur alten Pracht erhoben. Erst im Jahr 1742 vollendet, hat seine Glanzperiode nur 18 Jahre gewährt; aber eine weltgeschichtliche Bedeutung war dem Schlosse doch noch vorbehalten, denn von hier aus sollte dem erschöpften Europa der Friede wiedergegeben werden.

Sachsen vermittelte zwischen Oesterreich und Preußen. Marie Theresia hatte die Hoffnung, Schlesien zurück zu erobern, aufgegeben. Alle ihre Hülfsquellen waren versiegt und ganz Deutschland in völliger Erschöpfung. Ganze Kreise waren verheert und überall stockten Handel und Gewerbe. Hinterpommern und ein Theil Brandenburgs waren geradezu Einöden geworden. Ebenso sah man auch anderwärts große Strecken fruchtbaren Landes, wo die Spuren vormaligen Ackerbaus kaum noch sichtbar waren; besonders war dies mit großen Landstrichen an der Oder und Weser der Fall. Ein Offizier schrieb, daß er in Hessen sieben Dörfer durchritten und darin nur einen einzigen Menschen, einen Prediger, gefunden habe.

Endlich erklärte Friedrich, wenn Oesterreich wirklich die Absicht habe mit ihm in Friedensverhandlungen zu treten, so sei er nicht abgeneigt, jedoch unter der Bedingung, dass keiner seiner Feinde auf Entschädigung bestehe, weil er fest entschlossen sei, nicht durch einen Federstrich zu verlieren, was er bisjetzt durch den Degen behauptet habe und noch ferner im Stande sei wohl zu vertheidigen.

Und wirklich, Friedrich konnte so reden, denn nach sieben schrecklichen Feldzügen, ohne Bundesgenossen und Subsidiengelder war er seinen Feinden noch ebenso furchtbar und gewaltig wie vordem.

Die Bevollmächtigten von Preußen, Oesterreich und Sachsen traten in Hubertusburg, welches für neutral erklärt worden war, zusammen. Oesterreich war durch den Hofrath v. Collenbach, Preußen durch den Geheimen Rath v. Hertzberg und Sachsen durch den Geheimen Rath Freiherrn v. Fritsch vertreten.

Im December 1762 langten diese Herren in Hubertusburg an; aber in dem mächtigen, Hunderte von Räumlichkeiten enthaltenden Palais war kein Saal, nicht ein Kämmerchen zu finden, das sie hätte aufnehmen können. Endlich fand sich nach längerem Suchen in einem Seitengebäude ein Saal, der allenfalls benutzt werden konnte und darin nahmen denn auch, ohne große vorhergehende Förmlichkeiten am 31. Dec. die Friedensverhandlungen ihren Anfang. Sie betrafen besonders die Räumung der im Kriege eroberten und besetzten Länder und Orte, wobei von jeder Seite auf Entschädigung Verzicht gethan wurde. Zwar machte der wiener Hof Versuche, Glatz zu behalten, und wollte dafür Geld oder andere Ländereien bewilligen, aber Friedrich wollte um keinen Preis sich dazu verstehen. So bequemten sich endlich die Oesterreicher zur Zurückgabe dieser Festung. Sachsen erklärte sich bereit, für die Stadt Fürstenberg in der Niederlausitz den Oderzoll und das Dorf Schidlo mit den Ufern der Oder abzutreten, sowie die Steuerschulden zu tilgen und die Interessen auf 3 Procent herabzusetzen.
Preußen machte Frieden, ohne von seinen Staaten auch nur ein Dorf zu verlieren. Am 15. Februar 1763 wurde zu Hubertusburg in jenem schon oben beschriebenen Saale der längstersehnte Frieden geschlossen. Er wurde überall mit heißen Dankgebeten begrüßt. Von Polen aus ließ ihn König Friedrich August II seinen Sachsen bekannt machen: „Was maßen durch göttliche Direction die zeitherige Bemühung derer seit Ausgang des vorigen Jahres auf dem Schlosse zu Hubertusburg versammelt gewesenen bevollmächtigten Ministern von so gedeihlicher und gesegneter Wirkung gewesen, daß dadurch zur Beilegung des so lange verderblichen Krieges ein feierlicher Friedensschluß zustande gekommen und den 15. Febr. d. J. zu gedachtem Hubertusburg unterzeichnet worden, auch dessen Ratification von denen gesammten, daran Theil habenden Mächten, nunmehr des fürdersamsten erfolget und ist der Friede zur Bestätigung gediehen.“

Am 1. März fand in Hubertusburg die Auswechslung der Ratificierungsurkunden statt, und als nachmittags 4 Uhr die Nachricht davon durch einen Kurier in Dresden ankam, da begleiteten ihn 32 blasende Postillions durch alle Straßen und jubelnd begrüßte das Volk die Freudenkunde. Aehnliche Scenen wiederholten sich in Wien und Berlin.

Sachsen wurde von den Preußen geräumt, nachdem die rückständigen Contributionen eingetrieben worden waren. Den Schluß bildete eine höchst eigenthümliche Civiloperation Friedrich´s des Großen. Er befahl nämlich, um in seinen Staaten den großen Verlust an Menschen zu ersetzen, die Soldaten zum Heirathen zu nöthigen. Archenholtz erzählt: Die gute Bildung des weiblichen Geschlechts in Sachsen lud ohnehin zum Ehestande ein. Die Befehlshaber, deren Interesse ein großer Troß Weiber zuwider war und die außerdem Unordnung befürchteten, waren daher mit ihrer Aufmunterung nur sehr sparsam, bis der König von den Regimentern die Listen der Neuvermählten verlangte. Nun gaben die Befehlshaber den Soldaten das Signal zum Ehestande, und scharenweise eilten diese zum Altare. Eine große Menge Weiber zogen mit den Preußen aus dem Lande fort und fast ebenso viele Mädchen folgten ihnen nach.

Der im Eingange unserer Skizze geschilderte Saal ist in der Gegenwart recht eigentlich zum Friedenssaale geworden. Er dient jetzt als Aufenthaltsort alter lebensmüder Hospitaliten, die hier in Frieden ihr Leben beschließen. St.